
Toyota Land Cruiser
Top oder Flop?
Rau, kompromisslos, gebaut für die Wildnis – das ist der Ruf des Toyota Land Cruiser. Der neue Land Cruiser kam Ende 2023 auf den Markt und sollte an die legendäre Vergangenheit anknüpfen.
Ein Name, der seit Jahrzehnten für unaufhaltsame Geländegängigkeit steht. Doch die Verkaufszahlen sprechen eine andere Sprache. Was läuft hier schief? Ist der neue Land Cruiser ein echtes Offroad-Monster oder nur ein überteuerter Nostalgieträger? Zeit, Klartext zu reden.
Die Technik: Solide, aber nicht revolutionär
Toyota setzt beim neuen Land Cruiser auf eine robuste Leiterrahmen-Konstruktion – genau das, was Offroad-Fans wollen. Mit 4,92 Metern Länge, 1,98 Metern Breite und 1,87 Metern Höhe bringt er wuchtige Präsenz auf die Straße. Der Radstand von 2,85 Metern sorgt für Stabilität, während der Böschungswinkel von 31 Grad vorne und 22 Grad hinten klar macht: Hier steckt echtes Offroad-Potenzial.Der Unterfahrschutz aus hochfestem Stahl und eine Bodenfreiheit von 220 Millimetern beweisen: Dieser Wagen will ins Gelände. Die Starrachse hinten sorgt für maximale Verschränkung auf unebenem Terrain, während der permanente Allradantrieb mit Torsen-Mittendifferenzial eine gleichmäßige Kraftverteilung ermöglicht. Dazu kommen drei mechanische Sperren – vorne, hinten und in der Mitte –, die selbst tiefen Morast zur Formsache machen.
Unter der massiven Karosserie werkelt ein 2,8-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel mit 204 PS und 500 Nm Drehmoment, gekoppelt an eine 8-Gang-Automatik. Das reicht für eine Anhängelast von 3.500 Kilogramm und macht ihn zum perfekten Arbeitstier für Jäger, Förster oder Abenteurer. Doch genau hier liegt der erste Knackpunkt: Ein Vierzylinder für einen Land Cruiser? Fans hätten sich ein stärkeres Aggregat gewünscht. Die Konkurrenz setzt auf Sechszylinder oder gar V8-Optionen – Toyota hält sich zurück. Das Downsizing mag den CO₂-Ausstoß senken, doch die Fans klassischer Geländewagen interessiert das wenig.
Dazu kommt: Trotz moderner Technik fehlt ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Der Toyota ist solide, aber nicht spektakulär. Andere Hersteller bieten Hybridlösungen oder stärkere Motoren an – Toyota bleibt konservativ. Für den harten Geländeeinsatz ist das kein Problem, für den Alltagseinsatz wirkt es jedoch überholt.

Bewährte Zuverlässigkeit, aber wenig Innovation
Toyota bleibt seiner Linie treu und setzt im neuen Land Cruiser auf bewährte Technik statt High-Tech-Experimente. Das beginnt bei der elektrischen Servolenkung, die für eine präzisere Rückmeldung sorgt – ein echter Fortschritt im Vergleich zu den schwammigen Lenkungen früherer Generationen. Dazu kommt das Multi-Terrain-Select-System, das verschiedene Fahrmodi für Sand, Schlamm, Schnee oder Geröll bietet. Wer sich ins echte Gelände wagt, profitiert zudem von der Crawl Control, einer Art Tempomat für schwieriges Terrain. Das System regelt automatisch Gas und Bremse, sodass sich der Fahrer voll auf die Spur konzentrieren kann.Auch an Assistenzsystemen hat Toyota nicht gespart. Toter-Winkel-Warner, adaptiver Tempomat, Notbremsassistent und eine 360-Grad-Kamera sind mit an Bord. Gerade die Kamera ist im Gelände Gold wert, da der wuchtige Land Cruiser nicht gerade mit Übersichtlichkeit glänzt. Ein weiteres Highlight ist das „Electronic Kinetic Dynamic Suspension System“ (E-KDSS), das sich an den Untergrund anpasst und die Stabilisatoren je nach Fahrsituation entkoppelt – mehr Flexibilität im Gelände, mehr Stabilität auf der Straße.
Allerdings fehlt es an wirklich neuen Innovationen. Andere Hersteller bieten digitale Fahrwerksregelungen, smarte Hybrid-Systeme oder gar adaptive Offroad-Navigation – Toyota bleibt dagegen klassisch. Die Elektronik ist zuverlässig, aber eben nicht wegweisend. Wer ein solides Arbeitsgerät sucht, bekommt hier die bewährte Robustheit eines Land Cruisers. Wer dagegen auf modernste Technologie steht, wird von der eher konservativen Ausstattung enttäuscht sein.
Fahrverhalten: Hart im Nehmen, zäh auf der Straße
Abseits befestigter Wege spielt der Land Cruiser seine Stärken aus. Ein sperrbares Mitteldifferenzial, zuschaltbarer Allradantrieb und ein adaptives Fahrwerk sorgen dafür, dass Schlammlöcher, Geröllpisten und steile Anstiege kein Problem sind. Dazu gibt es das Multi-Terrain-Select-System, das für verschiedene Untergründe die passende Kraftverteilung regelt. Die neu entwickelte elektrische Servolenkung sorgt für eine präzisere Rückmeldung im Gelände und macht das Rangieren einfacher.Doch auf der Straße zeigt sich das Problem: Die Lenkung wirkt indirekt, die Karosserie neigt sich stark in Kurven und der Antritt bleibt verhalten. Tempo 100 erreicht der Brocken in 9,9 Sekunden, bei 175 km/h ist Schluss. Für den Alltagseinsatz fühlt sich das schwammig an, vor allem wenn man das Gewicht von rund 2,4 Tonnen bedenkt. Der hohe Schwerpunkt macht schnelle Spurwechsel zu einer Herausforderung, das Fahrwerk filtert Unebenheiten zwar gut, aber in der Stadt fühlt sich der Wagen behäbig an.
Die Geräuschkulisse ist ein weiteres Manko. Bei höheren Geschwindigkeiten dringen Wind- und Abrollgeräusche deutlich ins Innere. Der Dieselmotor klingt angestrengt, vor allem bei höheren Drehzahlen. Wer den Wagen primär auf der Straße bewegen will, muss mit diesen Kompromissen leben.

Funktionaler Innenraum
Toyota hat den Innenraum des neuen Land Cruiser zwar modernisiert, doch das Hauptaugenmerk liegt weiterhin auf Funktionalität und Robustheit – Luxus ist hier Nebensache. Der 12,3-Zoll-Touchscreen sitzt zentral auf dem Armaturenbrett, gut erreichbar, aber in seiner Bedienlogik nicht intuitiv genug. Die Menüführung ist verschachtelt, Einstellungsoptionen teils unnötig kompliziert. Wer während der Fahrt schnell etwas umstellen will, muss entweder lange suchen oder direkt aufgeben. Immerhin: Apple CarPlay und Android Auto sind serienmäßig, sodass das hauseigene Infotainment nicht zwingend genutzt werden muss.Das Cockpit kombiniert digitale Anzeigen mit klassischen Knöpfen und Drehreglern – eine Mischung, die nicht jedem gefallen wird. Während mechanische Schalter für Differenzialsperren, Geländeprogramme und Klimasteuerung durchaus Sinn ergeben, wirkt das Design insgesamt etwas altbacken. Ein Beispiel: Der Drehschalter für das Multi-Terrain-Select-System ist klobig platziert, während andere Tasten ungewohnt tief in der Mittelkonsole verschwinden.
Die Materialien im Innenraum folgen der Devise „Hauptsache robust“. Viel Hartplastik, grobe Oberflächenstrukturen, kaum hochwertige Haptik – Toyota setzt auf Langlebigkeit, vergisst dabei aber die optische Wertigkeit. Wer aus einem modernen Premium-SUV einsteigt, wird sich hier an die 90er erinnert fühlen. Zwar gibt es optionale Lederbezüge für die Sitze, doch selbst diese fühlen sich eher nach Industrie- als nach Premiumqualität an. Die Sitzpolsterung ist fest, auf Langstrecken nicht übermäßig bequem. Dafür ist das Gestühl groß und breit genug, um auch kräftigere Fahrer ordentlich Platz zu bieten.
Die Sitzanordnung ist klassisch, mit bis zu sieben Sitzen in der Langversion. In der Standardversion bietet der Land Cruiser fünf Sitzplätze mit ordentlich Beinfreiheit in der ersten und zweiten Reihe. Die dritte Sitzreihe? Streng genommen nur für Notfälle oder Kinder geeignet. Erwachsene müssen sich hier mit wenig Kopffreiheit und einem engen Einstieg abfinden. Immerhin lassen sich die hinteren Sitze flach umlegen, wodurch ein Laderaum von bis zu 1.151 Litern entsteht. Klappt man die Rückbank komplett um, passen auch sperrige Lasten problemlos hinein.
Der Preis: Zu hoch für das Gebotene?
Und genau hier kommt der größte Stolperstein: Der Toyota Land Cruiser startet bei rund 60.000 Euro. Mit Vollausstattung kratzt er an der 80.000-Euro-Marke. Ein stolzer Preis für einen Geländewagen, der sich fahrerisch eher wie ein Lkw als ein Premium-SUV anfühlt.Zum Vergleich: Ein Jeep Wrangler Rubicon mit 2.0-Turbo-Benziner und 272 PS kostet weniger und bietet mindestens genauso viel Offroad-Spaß. Ein Ford Bronco spielt in derselben Liga, ist aber günstiger und markanter.

Fazit: Solide Basis, aber falsche Strategie
Der Toyota Land Cruiser bleibt ein echtes Arbeitstier mit unbestreitbarer Geländekompetenz. Doch Toyota hat sich mit der Motorisierung und dem hohen Preis selbst ein Bein gestellt.Der Wagen trifft nicht den Nerv der modernen Offroad-Kundschaft, die entweder mehr Leistung oder mehr Luxus erwartet. Die Konkurrenz schläft nicht – und das macht sich in den Verkaufszahlen bemerkbar.
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